Einige Zeit später
Da waren sie nun. Fast ein Jahr war es her, dass er diesen Traum das erste Mal hatte. Fünf Nächte hintereinander. Nun saßen sie in Renascan um den Traum wahr werden zu lassen. Kein leichtes Unterfangen. Fern ab der Heimat. Fern ab der Freunde und der Familie. Aber unterstützt von vier Gleichgesinnten. Und dennoch waren sie eigentlich Fremde und alle so verschieden. Verbunden einzig durch ihren Traum. Doch die Götter hatten zu ihnen gesprochen. Zu jedem einzelnen von ihnen. Und einem Wunsch der Götter konnte man nicht widersprechen. Also waren sie losgezogen, hatten sich in Maranakar getroffen. Sie hatten lange gesprochen, diskutiert und geplant. Aber am Ende waren sie sich einig. Sie trafen letzte Vorbereitungen, delegierten ihre Geschäfte und ein halbes Jahr später, als es Frühling wurde trafen sie sich wieder in Maranakar, bereit ihre Reise anzutreten.
Fernan schaute in die Runde.
Tizian saß ihm gegenüber. Er musste Ende Fünfzig sein. Eigentlich hatte der Tempturier ein sehr sanftes Gesicht, das von schwarzen Haaren und einem dunklen Bart eingerahmt wurde. Der Haut, die dazwischen durchschimmerte, sah man an, dass der Kapalprister viele Arbeiten am Feuer verrichtete. Man durfte sich allerdings nicht täuschen lassen. Fernan wusste, dass es klug war sich nicht den Zorn Tizians auf sich zu ziehen. So sanft sein Gesicht wirken mochte, so aufbrausend konnte Tizian sein.
Links neben ihm saß Enid. Sie muss in ihrer Jugend eine unglaublich hübsche Frau gewesen sein. Nun hatte der Zahn der Zeit seine Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Die Scorierin war die älteste unter ihnen und sicherlich die weiseste. Es gab nichts, was die Ellyrispristerin aus der Ruhe bringen konnte. Aber über alles hinweg strahlten ihre grünen Augen und diese verrieten, dass ihr Geist sich nicht vom Alter ihres Körpers beeindrucken lies. Fernan hatte noch nie so wache und intelligente Augen gesehen, die alles mitbekamen was um sie rum geschah.
Neben Enid saß die zweite Frau der Runde. Die Layapristerin Kata. Nicht unbedingt eine klassische Schönheit. Sie war wohl Anfang Fünfzig, verhielt sich aber häufig deutlich jünger. Kata kam aus Taurien. Sie war immer zu einem Spaß aufgelegt und Fernan hatte sie noch nie schlecht gelaunt erlebt. Sie war immer fröhlich und zu jedem freundlich. Aber er wusste auch, sollte es drauf ankommen, war Kata sehr vernünftig und besonnen. Jedenfalls wurde es mit ihr nie langweilig.
Rechts von Tizian saß Nicolaas. Der Akesteraprister war nur wenig älter als Fernan. Und er war das komplette Gegenteil von Kata. Er war verschlossen und wenig gesellig. Am liebsten saß er etwas Abseits und las in seinen Büchern. Wenn er einen mit seinen eisblauen Augen musterte, lief einem ein Schauer über den Rücken. Der Hrayländer war aber mit Abstand der schnellte Schreiber von ihnen. Und der Ordentlichste.
Fünf Prister, aus fünf Provinzen. Fernan selbst, war Mitte Vierzig und damit der jüngste der Runde. Er hatte in Lorenien Teldron gedient, bis er diese seltsamen Träume hatte. Er wusste lange nicht, wie er damit umgehen sollte. Immerhin war es etwas völlig neues. Aber er war sofort überzeugt. Einzig die Tatsache, dass er dafür Magonien verlassen sollte machte ihm zu schaffen.
Fernan nahm einen Schluck aus seinem Krug und fragte sich, wie lange es dauern würde, bis sie den Ort gefunden hatten. Jeder von ihnen hatte diesen Traum. Vielleicht sollte man eher eine Vorhersehung sagen, eine Vision. Er hatte die Bilder noch vor Augen. Von seinen Begleitern und auch von dem Ort. Ein Ort im Hinterland von Renascan. Sie wussten genau, nach was sie suchen mussten. Sie würden diesen Ort finden. Sie alle hatten ihn gesehen. Und dort würden sie es errichten. Ihr Kloster. Das erste Kloster, in dem alle fünf Götter vereint wären.
Sie wussten genau wie es aussehen würde. Ein Fünfeck. Jede Seite bildete ein Gebäudeflügel, der einer anderen Gottheit gewidmet war. An allen fünf Ecken befanden sich Gemeinschaftsräume. Eine Bibliothek, ein Speisesaal, ein Raum zum Lehren, ein Trainingsraum und ein Raum um gemeinsam Rat zu halten. Zur Mitte hin, lag an jedem Flügel angegliedert der Tempel der jeweiligen Gottheit. Gemeinsam bildeten sie die Seiten eines innen liegenden Fünfecks dem Klostergarten. Jede Seite beherbergte einen Schrein, der jeweiligen Gottheit. Fernan seufzte voller Vorfreude. Wann immer das Wetter es zuließ, konnte man sich im Garten beraten, oder für sich alleine nachdenken. Umgeben von den fünf Göttern. Was konnte es besseres geben? Wie könnte man klügere und weisere Entscheidungen treffen, als hier? Und den Anfang würden sie machen. Fünf Priester von fünf Gottheit aus fünf Provinzen, friedlich vereint.
Das Gespräch am Nachbartisch zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Drei Frauen saßen dort und diskutierten über die Flüchtlinge. Sie schienen Heilerinnen zu sein, wenn er die Gesprächsfetzen richtig deutete. Im Zuge der Diskussion ging es auch um den Frieden und die Einigkeit in Magonien. Die Worte der einen Frau eregten Fernans Interesse besonders. Mit ihr wollte er sprechen und ihr von ihrer Idee erzählen. Sie würden Anhänger brauchen und er hatte das Gefühl bei der Frau Gehör zu finden. Nachdem die Frauen gegangen waren, fragte er die Schankmaid nach der Frau. Er erfuhr, dass sie Gardeheilerin war und wusste nun, wo er am nächsten Tag vorbei schauen würde.
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